Liebe Gemeinde, der Text auf den heutigen 22. Sonntag nach dem Dreieinigkeitsfest, der steht im Alten Testament, und zwar in dem kleinen Büchlein Micha und dort im 6. Kapitel von Vers 6 ab: Womit soll ich mich dem Herrn nahen, mich beugen vor dem hohen Gott? Soll ich mich ihm mit Brandopfern nahen und mit 1-jährigen Kälbern? Wird wohl der Herr gefallen haben. An viel 1000 Widdern, an unzähligen Strömen von Öl. Soll ich meinen Erstgeborenen für meine Übertretung geben, meines Leibesfrucht, für meine Sünde? Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. Amen. Angst war im Dorf, so erzählt es ein Bergbauer in den Vogesen. Der Krieg ließ auch dieses schöne Stückchen Erde nicht aus. Schaft, Stiefel und Pulverdampf verwüsteten das Land. Der Tod lauerte hinter jedem Baum. Und eines Morgens stand sogar ein schimpfender und wütender Landser mitten in der Bauernstube. Die Mägde flohen, die Kinder schrieen, die Hunde bellten, und der Senner überlegte sich, wie er denn diesen Gott beschwichtigen, diesen Landser beschwichtigen könnte. Er eilte zur Speisekammer und holte Speck und Brot. Aber der Uniformierte fegte nur diese Platte vom Tisch und drohte weiter. Dann schlug der Bauer seine letzten Eier in die Pfanne und servierte ein opulentes Gabelfrühstück. Aber dieser Uniformierte stieß mit dem Bajonett danach und brüllte weiter. Dann fiel dem Bergbauern sein Branntwein ein, den er versteckt hatte für Krankheitsfälle. Schnell kramte er ihn hervor und streckte ihn hin. Der Soldat nahm ihn, ließ ihn in seiner Manteltasche verschwinden und lachte. Er war befriedigt. Er war gnädig gestimmt. Er war endlich zufriedengestellt. Man muss nur wissen, was die Todesgefahr beseitigt. Daran musste ich denken, als ich diesen Sonntags-Text las. Angst war in der Stadt. So berichtete es Micha von Moreschet. Der Krieg, der schreckliche Krieg ließ auch dieses schöne Stückchen Erde Juda nicht aus. Die assyrische Feuerwalze verwüstete das Land. Der Tod lauerte hinter jeder Ecke, und auf einmal stand ihnen ein schimpfender und zürnender Gott vor Augen. Und die Heiden flohen, Die Gottlosen schimpften. Die Schwachen heulten, und die Frommen überlegten sich, wie denn dieser Gott zu beschwichtigen sei. Die einen rannten in den Stall und banden ein paar Kälber los für ein Brandopfer. Aber dieser Gott wollte kein Brandopfer. Andre eilten aufs Feld, um eine ganze Widder-Herde zusammenzutreiben für ein Schuldopfer. Aber dieser Gott wollte kein Schuldopfer. Und dann dachten sie sogar an ihre ältesten Söhne, die sie, wie einst Abraham herzugeben bereit waren. Aber er wollte keine Kindsopfer. Was hatten Sie noch im Haus, um diesen Gott zu beschwichtigen? Was sollten sie noch auf den Tisch legen, um diesen Gott gnädig zu stimmen? Was sollten sie ihm noch alles in den Rachen werfen, um diesen Gott endlich zufriedenzustellen? Man muss doch wissen, was die Todesgefahr beseitigt. Daran muss ich fast täglich denken. Angst ist überall. Doch, Angst ist überall. Der Krieg ist anscheinend nicht auszurotten. Feuerüberfälle und Bombenattentate verwüsten unsere Erde. Der Tod lauert hinter jeder Straßenecke. Und auf einmal steht ein wütender und schimpfender Gott als Ursache allen Übels fest. Die Angeschlagenen fliehen in die Sucht. Die Aufgeklärten schimpfen vor Wut. Die Schwachen heulen, vor Schwäche. Und die Überlegten, die denken nach, wie denn dieser Gott zu beschwichtigen sei. Ob den vielleicht ein Kreuzchen, ein Talisman auf der nackten Haut oder ein Maskottchen hinter der Windschutzscheibe genügen könnte, um diesen Gott zu beschwichtigen? Oder ob nicht doch ein handfestes Opfer am Ausgang der Kirchentür oder eine Spende für die Hungernden in der Welt dran wäre, um diesen Gott gändig zu stimmen? Oder ob nicht doch vielleicht ein Meditationskurs nach Yoga oder eine Versenkungsübung nach Zen helfen könnte, um diesen Gott günstig zu stimmen. Friedrich Nietzsche lies den tollen Menschen in seinen Aphorismen recht sagen: "Mit welchem Wasser könnten wir uns noch reinigen? Welch heiligen Spiele werden wir noch erfinden müssen?" Man muss doch wissen, was unsere Todesgefahr und Angst beschwichtigt. Liebe Freunde, Gott ist doch kein randalierender Landser, der unsere letzten Habseligkeiten requirieren will. Gott ist doch kein verschwimmender Götze, der durch religiösen Klimbim umgedreht werden müsste. Gott ist doch kein unersättlicher Moloch, der von Kälbern und Kindern lebt. Gott, liebe Freunde, Gott ist der gute Vater, der von allem Anfang an nie genommen, sondern immer gegeben hat. Die Befreiung aus Ägypten, die Durchquerung der Wüste, die Besiedlung des Landes, die Durchhilfe im Exil, die Möglichkeit des Neuanfangs. "Und als die Zeit erfüllet war, da gab er seinen einzigen Sohn." Nun gilt es doch gegen die Angst, die unsere herbstliche Welt wie eine Sturmflut überschwappt. "Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein, welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschont, sondern hat ihn für uns alle gegeben, sogar dahingegeben. Wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?" Martin Luthers Durchbruchserlebnis vom Jahre 1513 in der Turmstube des Schwarzen Klosters zu Wittenberg. Dieses Erlebnis sollte heute in allen Stuben und Kirchen neu durchschlagen, nämlich: Unser Geben macht nichts gut. Aber Gottes Gabe in Jesus Christus befreit selbst von der letzten Todesgefahr. Mit ihm kann man leben. Weil er sich seine Leute nicht aus der Hand reißen lässt. Mit ihm kann man sterben, weil er dem Tod sein Büttelrecht genommen hat. Mit ihm kann man auferstehen, weil er gesagt: "Ich lebe und ihr sollt auch leben." Ja, mit ihm kann ich trotz dunklen Horizonten in diesem Herbst singen: "Trotz dem alten Drachen, trotz dem Todesrachen, trotz der Furcht dazu. Tobe Welt und springe! Ich steh hier und singe in gar sicherer Ruh. Gottes Macht hält mich in acht. Erd und Abgrund muss verstummen, ob sie noch so brummen." Auch in diesem Text meldet sich nur dieser gute Geber-Gott zu Wort. Der allerdings in Kurzfassung zeigt, was wir geben können und was gut für uns ist, nämlich: die Angabe des Rechts, die Aufgabe der Liebe und die Hingabe des Willens. Das ist das erste: Die Angabe des Rechts. Wir leiden doch an einer Rechtsunsicherheit. Ich möchte es am Beispiel einer Ehe darstellen. Zwei junge Leute lernen sich kennen, schätzen, lieben. Sie wollen es miteinander wagen. Aber wie? So wie die Oma, die drei Jahre lang ihre Aussteuer stickte. Oder so wie der Onkel, der alternative Gedanken entwickelte und schon längst eine Ehe ohne Trauschein führt. Schließlich, auf Drängen der Eltern, gehen sie vors Standesamt und beginnen es miteinander. Aber bald sind Meinungsverschiedenheiten da. Schulden sind da. Andere Freundschaften sind da. Sie wollen weitermachen. Aber wie? So wie die Nachbarn, die sich schon längst großzügig freigegeben haben? Oder so wie die Verwandten, die sich regelmäßig prügeln? Der Alkohol als Problemlöser, als vermeintlicher Problemlöser kommt hinzu. Und schließlich stehen sie vor dem Scheidungsrichter, so wie viele heute dort stehen. Liebe Freunde, wir leiden gegenwärtig nicht nur an einem notvollen Baumsterben. Wir leiden an einem entsetzlichen Ehesterben. In einem kleinen württembergischen Amtsgericht sind in diesem Jahr schon 40 % mehr Ehen geschieden worden als im vergangenen. Und deshalb fragen wir uns: Was sollen wir tun? Was können wir tun? Was ist gut? Micha sagt: Schau auf Gott. Er hat die Gebote gegeben. Er hat ein Grundgesetz erlassen. Er hat das Recht formuliert. Du sollst nicht Ehe brechen. Ehe ist doch kein Spielplatz, wo wir uns austoben können. Ehe ist doch kein Marktplatz, wo jeder freien Zugang hätte. Ehe ist doch kein Essplatz, wo wir etwas zu futtern kriegten. Ehe ist doch ein geschützter Raum, den Gott für zwei Leute aufschließt, den er für ihre Familie bereithält und den er im Auge behält. Warum wollen...">